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Ellen und rostige Rodel

Der rostige Rodel

Veröffentlicht in: Geschichten

Alt und rostig sehen seine Kufen aus und die Bretter oben haben schon viele Schrammen. Dicke Schrauben halten den Schlitten zusammen. Dennoch denkt die kleine Ellen liebevoll an ihren rostigen Rodel im Stall, wenn die ersten Schneeflocken herabfallen. Kaum liegt eine Hand voll Schnee, zieht sie ihn schon auf die Wiese im Garten. Nach der langen Sommerpause holpert der Schlitten zunächst über den Hof am alten Schuppen entlang. Eine braune Rostspur zeigt seinen Weg im frischen Schnee.

Ellen fährt mit ihren Winterfreund ein paar Mal hin und her – so­lan­ge, bis die braunen Spuren vollkommen ver­schwunden sind. Jetzt sind die rostigen Kufen wieder glatt. An einigen Stellen glänzen sie sogar silbrig. Mal sehen, ob sich schon ein Schnee­mann bauen lässt! Die Kleine schiebt ihren Schlitten quer über die Wie­se. Sie stöhnt ein bisschen, wenn sich der Schnee an beiden Kufen auftürmt. Doch bald ist es geschafft, der Schlitten hat seinen ersten Einsatz gut überstanden. Und ein dicker Schneemann steht abends im Garten.

Morgen will Ellen auf den Rodelberg gehen. Der liegt ganz in der Nähe im Wald. Zum Glück schneit es in der Nacht noch mehr. Dicke Flocken tanzen auch morgens auf Ellen herab, als sie den steilen Weg zum Rodelberg hinaufsteigt. Unterwegs rutscht ihr Schlitten über knorrige Baumwurzeln, holpert über große Steine, reckt sich manchmal senk­recht in die Höhe. Dann steht Ellen zum ersten Mal in diesem Winter an der Rodelbahn.

Zwei alte Eichen mar­kieren den Start. Erst geht es einen kurzen, aber vereisten Hang hin­unter. Dann kommt ein flaches Stück mit einer leichten Kurve. Hier braucht der Schlitten manchmal ei­nen kleinen Schubs mit den Füßen. Danach schießt er mit vol­ler Fahrt den Berg hinab. Vorbei an dicken Buchen auf der rechten und einem gefährlichen Abhang mit Sträuchern auf der linken Seite. Am Ende der Rodelbahn heißt es für alle kleinen Rodler noch­­mals gut aufpassen. Ellen stemmt ihre Stiefel in den Schnee und bremst in letzter Sekunde vor einem Gartenzaun.

„Toll war das – mein rostiger Rodel war superschnell“, denkt sie stolz. Ellen zieht nach ihrer ersten Rodelpartie an der alten, ausgefransten Kordel und der Schlitten macht eine kleine Kurve. Er folgt brav der Spur der kleinen Füße bis zum Start.

„He, was ist denn das für ein altes Modell? Wo hast du denn das ausgegraben?“ Holger, ein älterer Junge, wartet in der Schlan­ge vor ihr und lästert über Ellens Schlitten.

„Den habe ich von meinem Vater bekommen. Mein Opa hat ihn selbst gebaut. Der Schlitten ist schon sehr alt, aber immer noch schnell. Wirst du gleich sehen!“

„Du spinnst wohl, wie kann so eine alte Rostbeule schnell sein! Die Bretter haben einen Holzwurm und die Schrauben sind total verrostet. Pass bloß auf, dass du nicht bei der nächsten Abfahrt auf deinem Hosenboden rodelst. Hier, das ist ein Spitzenschlitten von heute.“ Der Junge zeigt stolz auf eine moderne rote Kunststoffschale mit einer weißen Nylonschnur.

„Wir können sofort ein Wettrodeln machen, wenn du mir nicht glaubst“, entgegnet Ellen selbstbewusst. „Wet­ten, dass mein alter rostiger Rodel schneller ist als dein neuer Superschlitten?“

O.k., lass‘ uns loslegen. Wir rodeln nebeneinander her, mal sehen, wer gewinnt.“

Beide legen sich bäuchlings auf ihre Schlitten und kratzen mit den Stiefeln ein kleines Loch in den vereisten Schnee, um sich gut abstoßen zu können. Ein anderer Junge wedelt als Startsignal mit seinem weißen Schal: „Achtung, fertig, los.“

Die Kinder sausen den Rodelberg hinunter. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Anfeuerungsrufen ihrer besten Freunde beginnt. Ellens blauer Schal und Holgers graue Pudelmütze wehen im Wind. Beide sind auf dem ersten Hang noch dicht beieinander und drücken ihre Nasen auf ihre Schlitten. Aber das letzte steile Stück bringt die klare Entscheidung: Ellens rostiger Rodel hat zwar bereits etliche Jahre auf dem Buckel, ist aber viel schneller als der moderne Kunststoffschlitten.

„Hätte ich nicht gedacht, dass du mit diesem Rostschlitten gewinnst, Glückwunsch!“ Holger ist ein guter Verlierer. „Meinst du, dein Schlitten bricht nicht zusammen, wenn wir beide darauf sitzen? Ich würde gern mal mit dir zusammen runter rodeln?“

„Klar“ –, Ellen ist sich ihrer Sache sicher. „Auf meinen Rodel kann ich mich jeden Winter verlassen!“

Geschichten von Elke Brinkmann-Pytlik

Mit freundlicher Genehmigung der Autorin hier veröffentlicht.

Foto: Elke Brinkmann-Pytlik

9. Januar 2023