Sicheres Einkaufen

Scheipers Mühle Blog  

Scheipers Mühle Facebook  

Scheipers Mühle Instagram

Storch im Horst Copyright Elke Brinkmann-Pytliik

Warum der Storch nach Afrika fliegt und keine Babys bringt!?!

Veröffentlicht in: Geschichten

Ende März lagen zahlreiche Reisighölzer auf dem Kamin des Bauernhofes. Herr und Frau Adebar, das Weißstorchpaar, hatten sich auf dem Heimflug von Afrika nach Deutschland kennen gelernt und wollten für immer zusammenbleiben.

Nachdem das Storchennest gut ausgepolstert war, legte Frau Adebar vier Eier hinein, die sie abwechselnd mit ihrem Mann mehr als einen Monat lang bebrütete. Dann war es so weit: Die jungen Eltern begrüßten den ersten Storch mit lautem Schnabelklappern und einem kleinen Freudentänzchen. Bald schlüpften auch die anderen drei Weißstörche aus den Eiern. Die Kleinen sahen ihren Eltern sehr ähnlich. Der Schnabel und die Beine waren rot, das Federkleid leuchtete weiß und die schwarzen Schwungfedern glänzten in der Mittagssonne.

Das Storchenpaar segelte mit ausgestreckten Hälsen zwischen Kinderstube und Teichen hin und her, um die vier hungrigen Mäuler ‒ drei Storchen-Mädchen und ein Storchen-Junge ‒ mit Mäusen, Fischen oder Insekten zu füttern. So verging Tag um Tag, und die kleinen Störche wuchsen schnell. Mutig kletterten sie jetzt schon im Nest herum. Immer wieder beobachteten sie den Segelflug und die majestätische Landung ihrer Eltern, bis das zweitälteste Mädchen selbst fliegen wollte. Tapfer hüpfte Gesine zum Nestrand, sah nach unten, breitete die Flügel aus, flatterte aufgeregt damit auf und ab, holte nochmals Schwung und flog los. Drei Runden drehte sie mit Herzklopfen um das Haus. Danach gesellte sie sich wieder zu den Geschwistern, um von ihrem ersten Ausflug zu berichten.

„Fliegt doch auch mal, es war einfach toll. Der Wind streicht durch die Federn, und von weit oben sieht alles noch viel schöner aus.“ Gesine redete bzw. klapperte so lange auf die Geschwister ein, bis die beiden anderen Mädchen ihr vorsichtig folgten. Nur der kleine Bruder wollte ihnen lieber erst zuschauen.

„Komm doch endlich“, lockten seine Schwestern. „Wenn du nicht übst, schaffst du es nie bis nach Afrika. Du wirst viel in den Ländern erleben, die wir überfliegen. Sag bloß, du willst nicht die anderen Storchfamilien kennenlernen, die in Afrika überwintern. Willst du etwa auf die berühmten Klapperstorchgeschichten verzichten, die dort abends erzählt werden?“

„Logo, ich will das schon“, kam es zögerlich. „Ich versuche es mal. Aber was ist, wenn ich abstürze?“

„Wirst du nicht“, redeten die Mädchen ihm gut zu, „wir gehen danach als Belohnung auch alle zusammen in einem Teich baden. Nun komm schon, sei kein Feigling!“ Die Mädchen feuerten ihn an: „Heli, Heli, Heli!“ Ihre roten Schnäbel machten dabei einen riesigen Spagat.

Aufgeregt schnappte Heli nach Luft, gab sich einen inneren Schubs und sprang vom Nestrand direkt in sein erstes Flugabenteuer. Vier neugierige Hälse flogen nun dicht hintereinander her, landeten unbeholfen am Ufer, wateten ins seichte Wasser und bespritzten ihre Federn mit Wassertropfen. Diese Ausflüge machten die vier Weißstörche den ganzen Sommer. Sie übten Kurven, Landungen, suchten Frösche oder Libellen und putzten ihre Federn. Für den langen Flug Richtung Afrika trainierten sie fleißig. Desto näher der entscheidende Tag kam, desto aufgeregter klapperten sie mit ihren Schnäbeln.

„Kinder, aufwachen, die Reise beginnt“, weckten sie ihre Eltern eines Morgens. „Hier haben wir bald nichts mehr zu fressen. Die Insekten gehen bereits in ihren Winterschlaf.“ Schläfrig stellten sich alle Geschwister am Nestrand hintereinander auf. Heli flog zwischen seinen Schwestern ‒ direkt in Richtung Afrika. Die Eltern folgten ihnen dann etwas später.

Viele, viele endlose und anstrengende Tage und Nächte vergingen, bis die jungen Störche die weite Savanne und den großen See sahen. Sie waren begeistert: Die Sonne war viel wärmer als in Deutschland. Sie leuchtete heller und färbte abends die Wolken in den verschiedensten Rottönen. Jetzt konnten alle jungen Störche verstehen, warum sich die weite Reise lohnte. Es war gut, eine zweite Heimat in Afrika zu haben, anstatt im Winter in Deutschland zu frieren und zu hungern.

Jeden Abend, kurz vor Sonnenuntergang, hörten sie dem alten Storch-Opa zu. Er erzählte spannende Geschichten über die Länder, die sie überflogen hatten. Am besten gefiel den jungen Störchen die Geschichte von Bruni, einem kleinen Mädchen. Voller Eifer streute sie jeden Abend heimlich Zucker auf die Fensterbank in ihrem Kinderzimmer, um einen Klapperstorch anzulocken. Er sollte den Zucker fressen, der Mutter anschließend ins Bein beißen und ihr dadurch irgendwann das heiß ersehnte Geschwisterchen bringen. Denn nur so sollte ein Baby zur Welt kommen, glaubte sie.

Tag für Tag hielt Bruni nach einem Storch Ausschau. Sie zählte die endlos vielen Zuckerkristalle, um herauszufinden, ob ein Storch etwas davon gefressen hatte. Beim Zubettgehen fragte sie ihre Mutter immer wieder, ob ein Storch sie gebissen habe. Und einmal, bei einem Zoobesuch, ging sie zu einem Storch, um ihn selbst zu fragen. Leider war er zu weit weg und er konnte ihre Frage nicht hören, sonst hätte er ihr bestimmt geantwortet.

Natürlich wussten die jungen Störche, dass Babys nicht vom Klapperstorch gebracht werden. Auch wenn das zuweilen von den Erwachsenen den kleinen Kindern als Märchen erzählt wurde. Ihnen gefiel jedoch die Ausdauer des Mädchens, mit der es sich ein Brüder- oder Schwesterchen wünschte. – Schade, bald würde Bruni erfahren, warum ihr der Klapperstorch diesen Wunsch nicht erfüllen konnte.

Aber vielleicht erzählt sie ihren Kindern später einmal auch die Geschichte vom Klapperstorch. Und vielleicht legen die Kinder dann wieder Zuckerkristalle auf die Fensterbänke. Und sicherlich gibt es dann wieder junge Störche, die in Afrika das Märchen vom Klapperstorch zu ihrer Lieblingsgeschichte machen. Und solange Weißstörche zwischen Deutschland und Afrika hin und her fliegen, solange wird keiner dieses Märchen vergessen.

Text und Bild: © Elke Brinkmann-Pytlik

Geschichten von Elke Brinkmann-Pytlik

Mit freundlicher Genehmigung der Autorin hier veröffentlicht.

7. September 2023